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[Des Zickleins...]

  Er erstarrt in der Bewegung, als es im Gebüsch neben ihm raschelt.

  Mit gebanntem Atem steht er da, wagt es kaum zu blinzeln. Dabei ist er sich nicht sicher, ob er versucht, sich vor einem Angreifer zu verstecken, oder ob er m?gliche Beute nicht aufschrecken will. Das Gestrüpp ist niedrig genug, um nur etwas sehr Kleines verbergen zu k?nnen. Ein Kaninchen vielleicht? Nein das h?tte ihn schon l?ngst bemerkt und w?re auf und davon. Es sei denn, es ist verletzt, oder steckt fest. In dem Fall müsste heute sein Glückstag sein…

  Ein lautes B?hen durchbricht seine Gedanken, als pl?tzlich eine kleine Ziege aus dem Busch gehüpft kommt.

  Mit gespieltem Schrecken stolpert der Elf einige Schritte rückw?rts und legt sich eine Hand an die Brust.

  “Um Uriels Willen, Rudolf, du kannst mich doch nicht so überrumpeln!”, gibt er dann in einem theatralisch entsetzten Ton zum Besten.

  Das kleine Wesen meckert nur fr?hlich und ein stolzes Grinsen macht sich auf seinem menschlichen Gesicht breit. Das L?cheln ist ansteckend und so zucken auch die Mundwinkel des Elfen, als er in die Knie geht um das Zicklein hinter den Ohren zu kraulen.

  “Du wirst immer besser im Anschleichen”, Lobt er, w?hrend er dem kleinen Hybriden durch das Fell wuschelt.

  Schlie?lich l?sst er seine Hand sinken und fragt:

  “Na, Kleiner, hast du auch Hunger?”

  Als Antwort bekommt er ein enthusiastisches und etwas falsch klingendes B?hen zu h?ren.

  “An deinen Ziegenlauten müssen wir noch ein wenig arbeiten…”, kommentiert er, bevor er seine Aufmerksamkeit wieder dem Wald zuwendet, “aber das k?nnen wir auch sp?ter. Viel lieber würde ich jetzt nach etwas essbarem suchen.”

  Er steht auf und sieht sich um. Sicherlich muss es doch irgendwo ein paar Beeren oder Pilze geben, genug geregnet hat es ja in den letzten Tagen.

  Ein unzufriedenes “M??h”, l?sst ihn wieder nach unten blicken.

  “Was ist?”, fragt er das kleine Wesen.

  “M??h”, gib es zurück, bevor es Anlauf nimmt und ihm gegen das Schienbein l?uft.

  Reflexartig hebt der Elf den Fu? vom Boden und protesiert: “Au, das tut weh!”

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  Doch das Zicklein ignoriert seinen strafenden Ton und springt ihn stattdessen ein zweites Mal an. Mit nur einem Bein tut sich der Hybrid schwer, die Balance zu halten und so kippt er praktisch augenblicklich nach hinten. Das kleine Wesen landet zielsicher in seinem Scho?.

  “Sag doch gleich, dass du keinen Hunger hast”, st?hnt der Elf, “man kann auch ohne Gewalt nach Streicheleinheiten fragen.”

  Er wei? garnicht, wie lange sie da gesessen und einfach nur die wenigen warmen Sonnenstrahlen genossen haben, die durch das sp?rlich werdende Blattwerk der Baumkronen bis zum Waldboden durchgedrungen sind. Vielleicht w?re er sogar eingeschlafen, wenn nicht pl?tzlich aus einiger Entfernung trampelnde Schritte und lautes Rufen erschallt w?ren.

  Augenblicklich ist er hellwach.

  “Versteck dich”, flüstert er dem bereits ins Gebüsch fliehenden Zicklein zu, bevor er selbst den n?chstbesten Baum erklimmt. Keine Sekunde zu sp?t, denn im n?chsten Moment bricht schon eine Gruppe Bewaffneter durch das Unterholz.

  “Es ist auf jeden Fall nicht mehr hier.”

  Der Klang der bekannten Stimme l?sst ihm einen Schauer über den Rücken laufen. Nicht einmal eine Monat ist es her, seit er wieder nach Krakau zurückgekommen ist, aber sie hatte ihn schon gefunden? Kann das überhaupt sein? Er hatte sich doch kaum blicken lassen.

  Kurz z?gert er noch, doch dann gewinnt die Neugierde in ihm und er lehnt sich vorsichtig aus seinem Versteck. Nur einige Schritte neben dem Baum auf dem er hockt, sucht eine dunkelhaarige, zierliche Frau den Boden nach Spuren ab. In ihrer unmittelbaren Umgebung verteilt stehen drei M?nner, den Blick ebenfalls starr nach unten gerichtet. Der Elf glaubt einige von ihnen wiederzuerkennen, doch die Sprecherin befindet sich nicht unter ihnen.

  Er hatte sie doch klar und deutlich geh?rt, oder etwa nicht? Aber dann wo…?

  Schritte aus der anderen Richtung lassen ihn herumwirbeln und pl?tzlich steht sie da.

  Ihr Anblick l?sst ihm das Blut in den Adern gefrieren. Es ist dasselben feuerrote Haar, dieselben blutbefleckten Handschuhe und derselbe gefühllose Ausdruck in ihren Augen.

  ‘Sie ist es’, schie?t es ihm durch den Kopf, ‘ohne jeden Zweifel.’

  Es ist dieselbe Frau, die ihn vor drei Jahren kurz nach seinem Ausbruch aufgespürt hatte. Er war auf der Suche nach einem Versteck gewesen, hatte dabei allerdings die Anwohner geweckt. Mit der alarmierten Garde war er schnell fertig geworden, sobald sie ihn bemerkt hatten, waren sie geflüchtet wie Kaninchen vor dem Wolf.

  Doch Sie nicht.

  Er kann sich noch genau an den Moment erinnern, als sie aus der Luke zum Dachboden aufgetaucht war und ihn erblickt hatte. Keine Furcht, keinen Schrecken, kein Z?gern konnte er in ihrem Ausdruck lesen, nur Entschlossenheit und Blutgier. Und in diesem Augenblick war er nicht mehr der Wolf, er war das Kaninchen.

  “Milady, ich habe etwas.“

  Die Stimme der Dunkelhaarigen l?sst ihn erstarren. Mit aller Kraft drückt er sich gegen die Rinde des Baumes, so als k?nnte er damit verschmelzen und sich unsichtbar machen. Sein Herz rast so sehr, dass er denkt, man müsste es unten h?ren, doch er bleibt unbemerkt. Die zierliche Frau hat etwas anderes entdeckt.

  Langsam versammelt sich die Gruppe um den Fund der Dunkelhaarigen und auch der Elf wagt es nach einigen Momenten wieder nach unten zu blicken. Er kann nicht sicher sagen, was dort unten ist, denn die Bewaffneten stehen zu nahe aneinander und er kann an ihnen nicht vorbeisehen. Doch er hat nicht viel Zeit, sich einen Kopf über die Art der Entdeckung zu machen, denn da hüpft auch schon Rudolf meckernd aus dem Gebüsch und ein Schuss ert?nt.

  N?chstes Kapitel: 03.04. "Die Wunden versorgen"

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