Das Schiff pflügte durch den dichten Nebel der wie eine undurchsichtige Decke auf dem Wasser lag. Die Bugwelle schwappte immer mal wieder hoch auf, wurde aber sofort wieder von dem wabernden Grau verschluckt, welches au?erdem alle Ger?usch d?mmte und somit eine unheimliche, fast schon beengende Atmosph?re erzeugte.
Das Schiff war ein Ungetüm aus Stahl, mehr als fünfhundert Schritt lang und bis zu vierzig Schritt breit. Selbst das tiefst gelegenste Deck erhob sich mehr als fünfzehn Schritt über die Wasseroberfl?che.
Der Name der auf der st?hlernen Hülle in tiefblauer Schrift prangte, "Erzwinger", lie? erahnen welchem Zweck dieses massige Schiff einst diente. Selbst jetzt waren noch mehr als ein dutzend Geschütze an Deck montiert. Die Mündungen von Maschinengewehren ragten aus den Luken einiger Aufbauten, und in regelm??igen Abst?nden waren bis an die Z?hne bewaffnete Soldaten auf den Decks positioniert, welche nach allen Richtungen Ausschau hielten.
Der Kapit?n der "Erzwinger", ein Mann namens Jon Marston Vane, stand am Bug, hielt sich mit einer Hand an einer dicken Taurolle fest und starrte in den Nebel voraus.
Seine Stimmung war getrübt, obwohl die Mission bis jetzt ohne Probleme verlaufen war. Vor mehr als einer Woche waren sie über den Nordwindkanal ins gro?e Meer des Mittelreichs gelangt, mit einem Kurs, der sie stetig bis ins Zentrum dieses sagenhaften Meeres trieb.
Vane sollte stolz sein. Er kommandierte eines der letzten gro?en Kriegsschiffe der Menschheit, hatte mehr als dreihundert Soldaten und einhundert andere Besatzungsmitglieder unter seinem Kommando. Im Vorfeld der Mission war er zum Flottenkapit?n bef?rdert worden – eine symbolische Geste, gro?e Flotten gab es schon lange nicht mehr.
Dennoch hatte er ein ungutes Gefühl bei der Sache.
Seit dreihundert Jahren war niemand mehr in diesen Gew?ssern gesegelt.
Das Meer galt als trügerisch, von vielen Riffen und seichten Stellen durchsetzt. Die Winde und Str?mungen waren unberechenbar und mehr als einmal hatten sie hastig in der Nacht den Kurs korrigieren müssen, um nicht abgetrieben zu werden.
Dazu kam, dass ihre Instrumente immer unzuverl?ssiger wurden, je n?her sie ihrem Ziel kamen. Das GPS bekam schon lange kein Signal mehr und die "Erzwinger" navigierte auf altmodische Art, durch Kompass und Seekarten. Das Unterwasserecholot hatten sie nach drei Tagen ausgeschalten – es zeigte st?ndig Untiefen oder Sandb?nke an, wo gar keine waren. Sie konnten dem Ger?t nicht mehr vertrauen.
Zu all dem kam die allgemeine Unruhe unter der Besatzung.
Legenden rankten sich um dieses Meer.
Die antiken Zivilisationen die hier gelebt hatten als das Meer noch nicht existierte, hatten alte, archaische G?tter angebetet. Sie glaubten Seite an Seite mit Elfen, Zwergen und anderen Kreaturen zu leben und praktizierten magische Rituale. Nicht viel ist aus dieser Zeit überliefert, es war schlie?lich tausende Jahre her, aber immer noch gab es Menschen die dachten G?tter, Drachen und Magie h?tten tats?chlich existiert, oder tun es noch in eben dieser Gegend der Welt.
Das war natürlich Unfug.
Das Imperium hatte jahrzehntelang jeden Millimeter des gro?en Meeres abgesucht. Hier gab es nichts au?er der kleinen Insel im Zentrum – dem Ziel ihrer Reise.
In einem kleinem Frachtraum, zwischen F?ssern voller Salz, Frischwasser und anderen essentiellen Lebensmitteln, sa?en zwei junge Menschen, eine Frau und ein Mann, beisammen und teilten ein gro?es Stück gebratenes Fleisch untereinander auf.
Der Mann, gerade einmal siebzehn Jahre alt und frischangestellter Schiffsjunge auf der "Erzwinger", hie? Loras R. Ainsworth. Er hatte kurz rasiertes, stoppeliges Haar und trug keinen Bart. Loras war eher dicklich und auch sonst in aller Hinsicht unauff?llig.
Ihm gegenüber sa? die zwanzigj?hrige Maya Lin Quanton, eine K?chin auf dem Schiff und langj?hrige Bekannte von Loras. Maya hatte ebenfalls recht kurze, braune Haare. Nicht abrasiert, aber doch sehr kurz. Sie war gro? und schlank, schien aber immer irgendwie in schlechter Stimmung zu sein.
"Wie lang denkst du wird es noch dauern, bis wir Nurando erreichen?", fragte Loras gerade, w?hrend er an dem Fleisch zupfte und sich einen Bissen in den Mund schob. Beim Namen der Insel, auf welche sie zu steuerten, überlief ihn ein Schauer.
"Was wei? ich?" antwortete Maya. "Und sag nicht Nurando, sonst k?nnte man glauben du bist einer von den abergl?ubischen Idioten aus Myrna."
"Aber das war doch der ursprüngliche Name, oder? Nurando." konterte Loras. "Bevor das Imperium die Insel in Valar umbenannt hat."
Maya seufzte.
"Wie du meinst. Wir werden die Insel sowieso nur aus der Ferne sehen, w?hrend die Soldaten anlanden und ihre ach so streng geheime Mission ausführen."
Maya biss kr?ftig in das Steak und fragte mit vollem Mund:
"Du bringst doch ?fter den Offizieren und so ihr Essen. Hast du irgendwas mitbekommen? Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen warum das Imperium gerade jetzt ein voll bewaffnetes Kriegsschiff ans Ende der Welt schicken sollte."
"N?", sagte Loras nur und zuckte mit den Schultern. "Nicht mal die Soldaten wissen irgendetwas. Angeblich sind nur eine Hand voll Personen an Bord in den Plan eingeweiht."
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"Vermutlich geht es nur darum zu sehen, ob die Insel kolonisierbar ist oder so" sagte Maya abf?llig, aber sie beide wussten das das falsch war. Was immer die "Erzwinger" hier tat – das Schiff war viel zu stark bewaffnet für eine Erkundungsmission...
Kapit?n Jon Marston Vane zuckte leicht zusammen als sein Funkger?t kr?chzte.
"Wir haben die Küste ausgemacht, K?ptn. Etwa 5 Meilen voraus."
"Gut. Triebwerke langsam herunterfahren und bis auf 2 Meilen n?hern. Behaltet den Wellengang im Auge, wir wollen nicht auf ein Riff auflaufen."
"Verstanden"
Vane winkte seinen ersten Offizier zu sich, der sich in Rufweite gehalten hatte.
"Blake, lass drei Landungsboote vorbereiten. Volle Besatzung, Primi?rziel: Landungscamp am Strand einrichten. Ich komme selbst mit."
Blake salutierte kurz und eilte dann davon. Der Kapit?n machte sich schnellen Schrittes auf den Weg in seine Kabine.
In aller Eile legte er eine Kampfweste über seiner normalen Uniform an, h?ngte sich ein Gewehr mit einem Gurt über den Rücken und und überprüfte die Pistole im Holster, zuletzt kam der Helm.
Als er fertig war, ging er zurück an Deck, wo die drei Beiboote eilig vorbereitet wurden.
Inzwischen war die Insel so nahe, das man schemenhafte Umrisse im Nebel erkennen konnte.
Sehr hohe Umrisse..... wie von einem Turm... nur viel breiter.
Die Boote wurden ins Wasser gelassen. Kapit?n Vane sa? im letzten davon und bemühte sich, seine Nervosit?t unter Kontrolle zu halten. Jedes Boot war besetzt mit drei?ig schwer bewaffneten Soldaten. Gut ausgebildete Veteranen die noch vor einigen Wochen im aktiven Kampfeinsatz waren. Diese M?nner und Frauen konnten es mit allem aufnehmen was sie auf der Insel erwarten mochte.
Trotzdem.....
Wenn Vane daran dachte was sie vorhatten... was sie suchten.....
Er bemühte sich entspannt zu bleiben, als er bemerkte wie fest er die Reling des Bootes umklammerte.
Die "Erzwinger" wurde hinter ihnen mehr und mehr vom Nebel verschluckt und die Küste Nurandos, nein, die Küste Valars kam in Sicht.
Massige Felsen s?umten das Ufer, welches keinen richtigen Strand besa?. Nur wenige Meter dahinter begann ein nahezu undurchdringlicher Wald aus dunklen, hohen B?umen.
Die Wellen peitschten klatschend gegen die Steine und Gischt spritze weit durch die Luft und durchn?sste alles und jeden.
"K?ptn – dort!"
Ein Soldat zeigt mit einem Finger auf den Waldrand. Auch andere deuteten in die Richtung und auf den Booten entstand Gemurmel und Flüstern.
Zwischen den den dicken Eichenst?mmen die den Saum des Waldes am Ufer bildeten – stand eine Person.
Die Gestalt trug dunkle Roben und das Gesicht wurde von einer Kapuze verdeckt. Schatten umspielten den Unbekannten.
"Lautsprecher!" befahl Vane.
Ein Unteroffizier reichte ihm ein kleines Mikrofon.
"Mein Name ist Jon Marston Vane", sprach der Kapit?n und seine Stimme hallte über die Wellen und musste auch noch am Strand klar und deutlich vernehmbar sein.
"Im Namen der Besatzung des Kriegsschiffes "Erzwinger" und seiner Majest?t Imperator Novus Principus, weise ich sie an die Kopfbedeckung abzunehmen und sich auf den Boden zu legen."
Als der Unbekannte nicht reagierte gab der Kapit?n einen Funkspruch an alle Gruppenführer der Boote durch:
"Umstellt den Kerl nachdem wir angelandet sind. Keine Gewalt. Ich wiederhole, keine Gewalt!".
Die Gedanken des Kapit?ns rasten, hier sollte niemand leben! Die Insel müsste seit Jahrhunderten, wenn nicht Jahrtausenden verlassen sein!
Als das erste Boot anlandete und die Soldaten mit hastig gerufenen Befehlen an Land stürmten, beruhigte sich Vane etwas. Er würde diesem Mysterium auf den Grund gehen, es gab sicher eine logische Erkl?rung dafür, das hier ein einzelner Mensch am Strand auf sie zu warten schien.
Die Soldaten umstellten den Fremden in zwei Kreisen und richteten die Waffen auf ihn.
Der Kapit?n schritt mit festem Tritt durch den kaum vorhandenen Kies und Sand in dieselbe Richtung und stoppte kurz au?erhalb des ?u?ersten Kreises.
"Geben sie sich zu erkennen!" befahl er streng und laut in Richtung des Unbekannten.
Der hob tats?chlich den Kopf etwas.
Dadurch erkannten alle die grellgelben, wolfsartigen Augen im Schatten der Kapuze.
Mit kalter, schneidender Stimme sprach der Fremde ein einziges Wort:
"Willkommen!"
PENG
Der Knall war eindeutige ein Schuss, welcher einige Meilen entfernt abgefeuert wurde.
Maya zuckte bei dem Ger?usch zusammen und auch Loras hielt inne.
PENG PENG PENG PENG
Weitere Schüsse ert?nten und wurden zu einem Knattern wie von Maschinengewehrsalven.
Ein Rumoren ging durch das Schiff, welches von gro?en Maschinen und Drehgeschützen ausging, die an Deck bewegt wurden.
"Was ist da los?" fragte Loras panisch w?hrend er aufsprang.
"Feindkontakt...." antwortete Maya besorgt, auch sie erhob sich. "Wir... sollten vermutlich hier bleiben bis es vorbei ist. Wir w?ren da drau?en nur im Weg."
Loras hielt sich an einem Fass fest, als das ganze Schiff zu vibrieren begann. Die Turbinen und Triebwerke wurden wohl wieder gestartet. Die "Erzwinger" setzte sich in Bewegnung.
"Aber wer....?" begann Loras, stoppte den Satz aber weil es sinnlos war. Maya konnte genauso wenig wie er wissen, mit wem es da zum Kampf kam.
Die junge Frau versuchte Loras zu beruhigen.
"Vielleicht Piraten oder irgendeine Art von.. Einheimischen? Nichts mit dem die Soldaten nicht fertig werden."
Die entfernten Schüsse stoppten und es blieb ruhig.
"Siehst du? Schon vorbei. Der Kapit?n wei? was er tut."
Ein fürchterlicher Ruck ging ganz pl?tzlich durch das Schiff. Loras und Maya wurden durch den kleinen Lagerraum geschleudert. Der junge Mann knallte hart gegen die st?hlerne Wand, etwas knackte in seinem K?rper. Die Frau verschwand irgendwo unter Kisten und F?ssern.
Sch?umendes, salziges Meerwasser drang in den Raum ein, gegenüber der Tür klaffte von einem Moment auf den anderen ein breiter, glatter Schnitt in der Au?enhülle des Schiffes.
Loras strampelte mit Armen und Beinen um sich irgendwie durch die Wassermassen zu k?mpfen.
Es knallte erneut als irgendeine Verstrebung an der Decke riss, eiserne Bolzen schossen wie Gewehrkugeln durch die Luft.
Ein pl?tzlicher, brennender Schmerz in Loras Hüfte entflammte, eines der Geschosse musste ihn erwischt haben.
"Hi-hilfe..." rief Mayas Stimme durch das Rauschen des Wassers. Ihr Ruf kam von weiter hinten und endete in unverst?ndlichem Gurgeln als sie von Frachtgut in die Tiefe gedrückt wurde.
Loras dachte nicht lange nach, holte tief Luft und tauchte unter.
Er sah Maya zum Boden sinken. Einer ihrer Fü?e hatte sich in einem schweren metallischen Netz verfangen. Er machte einige schnelle Schwimmzüge, streckte den Arm aus und – verlor das Bewusstsein, als ein untergehender Balken ihn am Kopf erwischte.