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Agu

  Riya merkte nicht, wie sie sich verlor, w?hrend sie und ihre zwei Gef?hrten zu Pferd unterwegs waren. Sie driftete ab in den wei?en leeren Raum. Ohne W?nde, ohne Decke oder Boden. Wie vertraut ihr dieser Raum doch war, ihr tiefstes Inneres. Kalt, steril und trostlos. Lange war sie nicht mehr hier gewesen. Dort sa? Riya nun wieder, inmitten dieses Raumes auf den Knien. Ihr Waffenrock war schwer.

  Doch da war noch etwas neben ihr, etwas Vertrautes und noch viel K?lteres als der Raum. Riya kannte es von früher. Das alte Wesen, das sie schon so lange plagt. Der D?mon. Warum kam er ausgerechnet jetzt und was wollte er, fragte sie sich.

  “Hallo!” sagte das Wesen mit schelmischer Fr?hlichkeit. Es war genauso sp?ttisch wie furchterregend. “Hast du mich vermisst? Es ist so schrecklich einsam hier unten. Warum kommst du mich nicht mehr besuchen, so wie früher.”

  Früher. Sie erinnerte sich an diese Zeit. Früher war sie allein. Ganz allein mit dem D?mon. Sie hatte damals nichts anderes an das sie sich wenden konnte. Die Menschen stie?en sie aus und wollten nichts mit einer “Besessenen” zu tun haben. Und wenn sie die N?he zu anderen suchte, zog das Wesen sie stets weg, sodass sie immer mehr an es gebunden wurde.

  “Ach, sei doch nicht so. Tu nicht so, als würde ich dir Schlechtes wollen. Die Menschen von damals wollten dich nicht. Sie haben dich schlecht behandelt. Ich habe dich nur vor ihnen beschützt.”

  Das Wesen huschte um Riya herum. Es bestand aus tiefschwarzem Schatten und hatte kein erkennbares Gesicht, dafür aber eine Maske mit einem warm l?chelnden Gesichtsausdruck. Was es sagte war nicht unwahr. Die Menschen haben sie damals schlecht behandelt, ja sogar misshandelt. Sie haben sich einen Spa? aus ihrem Leid gemacht, sie aufgezogen und verletzt.

  “Na also, wer braucht schon solche Menschen. Menschen m?gen dich nicht. Sie sind schlechte Wesen. Du bist bei Ihnen nicht gut aufgehoben.”

  Vielleicht hatte der D?mon Recht. Vielleicht sind Menschen tats?chlich schlecht und nicht vertrauenswürdig. Vielleicht war es heute auch nicht anders. Die Menschen zu denen sie heute Verbindungen aufgebaut hatte, ihre Gef?hrten… Waren diese Verbindungen denn wirklich echt? Oder waren sie nur Fassaden und eigentlich hassten sie sie. Würden die Menschen von heute sie genauso verletzen?

  “Ja, und wie sie das tun würden. Sie sind nicht anders, glaub mir!” Die vorhin noch so warm l?chelnde Maske hatte sich ver?ndert. Ihr Ausdruck war ernster geworden und das L?cheln wirkte weniger freundlich. “Geh besser, sonst verletzen sie dich auch noch. Sie werden dich hintergehen, so wie die Kinder es damals so oft getan haben. Diese “Gef?hrten” hier nutzen nur wieder deine Gutmütigkeit aus. Was ist, wenn das im Kampf passiert?”

  Riyas Blick war nach unten gerichtet. Ihre Gef?hrten. Konnte sie ihnen wirklich blind vertrauen? Immerhin hatten sie jetzt schon so viel erlebt. Aber warum sollten sie…

  “Weil sie dir schaden wollen, genau wie die anderen. Alle wollen das!” Das Wesen stand nun genau vor ihr.

  War das denn wahr, was es sagte?

  “Nein…” sagte sie leise.

  “Du wei?t es!” rief der D?mon.

  Sie blickte dem Ding in die Augen, oder zumindest die leeren H?hlungen in den L?chern der Maske. Endlich erkannte sie es und verstand. Ja, von denen die sie kannte, gab es jene, die ihr schaden wollten. Zumindest einer wollte das.

  “Nein!” sagte sie erneut, dieses mal mit mehr Wut. Sie ben?tigte viel Kraft, doch es gelang ihr schlie?lich, sich aufzurichten. “Nein, das würden sie niemals tun! Sie sind meine Freunde!”

  “Was sind schon Freunde? So etwas wie wahre Freundschaft gibt es nicht. Mach dir keine Illusionen.” Das Wesen stand unmittelbar nahe und auftürmend vor ihr. “Vertrauen kannst du auf nichts in der Welt, nicht einmal dir selbst. Und diesen Gef?hrten wie du sie nennst ebenfalls nicht. Am besten du verl?sst sie und gibst dich auf, statt dich weiter zu qu?len.”

  “Sei still!” Riya stie? die Kreatur von sich und trat zwei Schritte zurück. Sie nahm das Schwert von ihrem Gürtel, hob es wie einen Wurfspeer und stie? es dem Wesen in den Brustkorb.

  "Du hast keine Macht mehr über mich, D?mon!"

  Es ?chzte. Aufgespie?t und jeder Bewegungsfreiheit beraubt, sah es sie an. Die Maske war zu einer wütend blickenden Fratze geworden.

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  "Ha," sagte sie. "Endlich verstehe ich, was du wirklich bist. Du bist weder ein Fluch noch ein D?mon! Du bist nichts weiter als eine Nervens?ge und ein Feigling! Du haftest dich an die, die der Verzweiflung am N?chsten stehen und treibst sie noch weiter in den Abgrund, um ihnen eines Tages das Leben zu rauben. Du versprichst ihnen die Erl?sung und sobald sie dir dein Leben geben, verschlingst du sie, nur um deine Gier zu stillen." Sie trat zwei Schritte n?her. "Nicht mit mir!"

  "Glaube nicht, dass du mich so besiegen k?nntest. Ich bin ein Teil von dir und werde es immer sein, verstehst du das?! Ich bin die Angst. Ich diene dazu, dich zu schützen." rief es deutlich lauter als zuvor.

  “Ich war schon so oft kurz davor, auf deine falschen Versprechen reinzufallen, Agu."

  Die Kreatur grollte. Die Maske verzog sich zu einem grotesken und unmenschlichen Ausdruck.

  "Ja. Das übel beim Namen zu nennen hat bereits viel geholfen, um dich zu erkennen. Und vielleicht muss ich mich den Rest meines Lebens mit dir herumschlagen. Aber solange ich lebe, werde ich mich nicht mehr deinem Willen beugen. Nie mehr!"

  Entschlossenen Schrittes n?herte sie sich dem Wesen, welches knurrend vor ihr lag und packte das Schwert, welches es festhielt.

  "Und nun verschwinde endlich!" rief sie mit m?chtiger Stimme und zog das Schwert nach oben, l?ngs durch seinen Oberk?rper und seinen Kopf, sodass die Maske zerbrach. Das Wesen heulte auf und sein K?rper zerfiel in schwarzen Rauch und Asche, die den zuvor noch hellen Raum verdunkelten.

  "Ich… komme wieder..!" h?rte sie es mit tonloser Stimme sagen und es klang wie ein Echo im Wind. Ein letztes Mal sah sie sein Grinsen im Rauch hervorscheinen, bis es allm?hlich verblasste. Sie erschauderte. Spielt Agu ihr gerade wieder einmal einen Trick? Würde der D?mon sie gleich wieder umschlie?en und Besitz von ihr ergreifen?

  “Nein!” dachte sie. “Ich muss vor dir keine Angst mehr haben.” Voller Entschlossenheit stand sie im pechdunklen Raum und wich nicht von der Stelle. Langsam legte sich der Rauch und der Raum wurde wieder heller. Er verblasste allm?hlich und sie kam wieder zu sich.

  "Riya? Ist alles in Ordnung bei dir?" h?rte sie Egore sagen.

  Sie sa? wieder auf ihrem Pferd, ihre beiden Gef?hrten um sich herum. Wie lange sie wohl weggetreten war? Früher als sie noch die meiste Zeit alleine war, h?tte sie sich von der Gesellschaft abgeschottet, wenn es passierte. Doch das war vor langer Zeit, lange bevor sie ihre Gef?hrten kennenlernte.

  "Hattest du wieder eine Phase?" fragte Ilye.

  "Es ist schon in Ordnung", sagte Riya. "Mir geht es gut."

  Ilye und Egore tauschten einen besorgten Blick. "Riya, hier musst du nichts verstecken. Wenn es dir nicht gut geht, kannst du es uns sagen," sagte Egore.

  "Danke." sagte sie verlegen, aber froh. "Ja, ich habe wieder Besuch von dem D?mon… also von… Agu bekommen." Es fiel ihr immer noch schwer, seinen Namen offen auszusprechen, aus Angst. Angst vor ihm und der Reaktionen der anderen. "Aber ich habe ihn in seine Schranken verwiesen."

  "M?chtest du eine Pause machen?" fragte er.

  Riya überlegte einen Moment. "Nein, eine Pause ist nicht n?tig. Ich fühle mich gut. Sogar besser denn je. Au?erdem haben wir noch einen ganz anderen Kampf zu gewinnen, nicht wahr? Da sollten wir nicht zu sp?t kommen!"

  Die beiden l?chelten ihr entgegen und nickten ihr zu. Sie spornten die Pferde an und Riya tat es ihnen gleich. Als sie die beiden ansah und den Moment vor sich hatte, als die drei gemeinsam als Gruppe in das n?chste Abenteuer ritten, spürte sie etwas. Sie empfand es nur schwach, aber es war ein warmes Gefühl. War das Glück? Vielleicht.

  Sie l?chelte. Wenn sie genauer in sich blickte, war der Raum gar nicht so wei? und leer. Nein, schon seit langer Zeit eigentlich befanden sich ihre Gef?hrten dort. Leichte Sonnenstrahlen erhellten den Raum au?erdem ein wenig. Und im Hintergrund waren auch die ganzen Orte zu erkennen, die die drei schon bereist hatten. War das alles schon immer da und konnte sie es vielleicht auch nur jetzt erst erkennen? Vielleicht wird sich der Raum auch in Zukunft noch weiter lichten und noch mehr zu erkennen geben. Was jetzt allerdings wichtiger war, war die n?chste Schlacht. Und dafür war sie mehr als bereit.

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